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#4 What goes around comes around

Der Kreislaufwirtschaft - Newsletter von der KEK

Liebe Leserinnen und Leser,

Willkommen zu einer neuen Ausgabe What goes around comes around, in der wir uns mit einer der - aufgrund einer global weit verzweigten Wertschöpfungskette mit tiefer Zulieferpyramide - wohl komplexesten Branchen beschäftigen: der Circular Economy im Textilsektor.  

Laut dem CE-Bericht 5/2023 der Europäischen Umweltagentur hat sich die weltweite Textilfaserproduktion fast verdoppelt, von 58 Mio. Tonnen im Jahr 2000 auf 109 Mio. Tonnen im Jahr 2020 und wird bis 2030 voraussichtlich auf 145 Mio. Tonnen ansteigen.

Auf Bekleidung entfallen 81% der in der EU verwendeten Textilien. Zwischen 2000-2015 hat sich die Bekleidungsproduktion ungefähr verdoppelt. Gleichzeitig ist der Gebrauch von Kleidung um fast 40% zurückgegangen. (Quelle: EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien) Jedes fünfte Kleidungsstück (19%) wird so gut wie nie getragen. (Quelle: Greenpeace, Modekonsum) Beide Entwicklungen sind vor allem auf das Phänomen der „Fast Fashion“ zurückzuführen, bei der neue Stile schneller auf den Markt kommen, immer mehr Kollektionen pro Jahr angeboten werden und die Preise häufig niedriger sind.

Übergeordnetes Ziel der EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien:
Bis 2030 sollen die Textilerzeugnisse auf dem EU-Markt langlebig und recyclingfähig sein, größtenteils aus Recyclingfasern bestehen, keine gefährlichen Stoffe enthalten und unter Einhaltung der sozialen Rechte und im Sinne des Umweltschutzes hergestellt werden. Verbraucherinnen und Verbraucher sollen die hochwertigen und erschwinglichen Textilien länger nutzen können, „Fast Fashion“ soll aus der Mode kommen und wirtschaftlich rentable Wiederverwendungs- und Reparaturdienste allgemein zugänglich sein. In einem wettbewerbsfähigen, widerstandsfähigen und innovativen Textilsektor übernähmen die Hersteller entlang der gesamten Wertschöpfungskette die Verantwortung für ihre Produkte, und das bis hin zur Entsorgung. Das kreislauforientierte Textilökosystem würde florieren und über ausreichende Kapazitäten für innovatives Faser-zu-Faser-Recycling verfügen, wohingegen die Verbrennung und Deponierung von Textilien auf ein Minimum reduziert würden.

 

Welchen Einfluss die neue Öko-Design Verordnung ESPR (Ecodesign for Sustainable Products Regulation) auf u.a. die Textilbranche hat, lesen Sie in unseren Interviews mit Dr.-Ing. Kai Lindow vom Fraunhofer IPK und Ronja Scholz vom Fraunhofer IZM. 

 

Nur 1% der gebrauchten Kleidungsstücke wird zu neuer Kleidung recycelt, da Technologien, die das Recycling von Kleidung zu neuen Fasern ermöglichen würden, erst jetzt aufkommen. (Quelle: EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien). Der Rest wird verbrannt oder landet auf Mülldeponien. Durch die Entsorgung gehen große Mengen an Rohstoff verloren. Das Ziel von Kreislaufwirtschaft ist, diese Rohstoffe immer wieder zu nutzen, was Akteuren der Textilbranche die Möglichkeit gibt, neue Geschäftsmodelle und Technologien zu entwickeln.

Besonders an der Textilbranche ist, dass viele verschiedene Materialien zu unterschiedlichen Produkten verarbeitet werden, wie z.B. medizinische Textilien, Textilien für die Automobilindustrie oder die Baubranche. Viele Verschiedene Lösungsansätze - passend für jede Produktgruppe - werden gebraucht. Und es gibt sie auch bereits.  

Hervorzuheben ist, dass das Recycling stets nur als letzter Ausweg verfolgt und der Fokus auf die Designphase (braucht es das Produkt überhaupt, sind zirkuläre Geschäftsmodelle wie Sharing oder Product-as-a-Service möglich, …?) sowie die Verlängerung der Nutzungsphase (z.B. Re-Use oder Reparatur) gelegt werden sollte. Zur Vertiefung des Themas empfehlen wir hier die Studie des Umweltbundesamtes zur Rolle der Langlebigkeit und der Nutzungsdauer für einen nachhaltigen Umgang mit Bekleidung. Dennoch bleibt das Recycling ein unabdinglicher Baustein für das Gelingen der Circular Economy in einer stark globalisierten Welt. 

Ein Lösungsmodell hat das global agierende, in Berlin ansässige Unternehmen Re-Fresh Global entwickelt. Gegründet 2021 von Viktoria Kanar und Revital Nadiv wandelt das Startup - mittels eines innovativen Ressource-Recovery-Verfahrens - vermischte Textilabfälle in hochwertige neue Rohstoffe um. Hoch saugfähige und wasserbeständige Nanocellulose, Bioethanol als Bestandteil von Anwendungen unter anderem für die Kosmetik-, Sanitär- und Chemieindustrie und textiler Zellstoff für neue Fasern, Vliese, Baumaterialien und vieles mehr. Re-Fresh Global hat damit eine nachhaltige und individuelle Lösung für die Industrie entwickelt. Ein Konzept, das auch für KMU kostendeckend eingesetzt werden kann.  

Wir haben mit Viktoria Kanar, CEO und Co-Founder von Re-Fresh Global gesprochen und wollten mehr über ihr Geschäftsmodell und den Impact auf die Textilbranche erfahren.  


Viktoria Kanar -
CEO & Co-Founder, Re-Fresh Global

In jeder Ausgabe unseres Newsletters beleuchten wir das Thema Kreislaufwirtschaft aus einer anderen Perspektive. Würdest du sagen, dass die Kreislaufwirtschaft in der Textilindustrie anders funktioniert? Und wenn ja, kannst du erklären, warum?

Das Konzept der Kreislaufwirtschaft hat leider bisher noch nicht die erwünschte Bekanntheit erhalten und das trotz der Regulierungen, die seitens der EU und anderer internationaler Behörden in immer mehr Industrien zur Pflicht wird. Die Textilbranche ist bisher auch überwiegend von diesen Veränderungen nicht betroffen gewesen, doch das wird sich mit der kommenden EPR-Regulierung (Erweiterte Herstellerverantwortung) für die Textilindustrie ändern, was dann erwartungsgemäß die Kreislaufwirtschaft in dieser Industrie viel stärker integrieren wird.

 

… Wohin mit meinen löchrigen, alten Socken? … 
Würdest du sagen, das Thema textiler Abfall ist ausreichend infrastrukturell erschlossen? Sowohl auf Endverbraucherseite als auch Unternehmensseite.

Das Thema textiler Abfall ist überhaupt noch nicht erschlossen worden. Wir wissen, dass nach wie vor die überwiegende Zahl an Altkleidung, also über 80% nicht wieder verwertet, sondern deponiert, verbrannt oder ins ferne Ausland verschickt wird. Dadurch, dass die Qualität unserer Kleidung in der Massenproduktion immer mehr abnimmt, wächst auch die Anzahl nicht wieder verwendbarer Textilien. Das hat zweifellos einen großen Einfluss auf unsere Umwelt, mit einer steigenden Tendenz. Solange keine neuen Technologien für die Lösung dieses Problems eingesetzt werden, wird das Phänomen Alttextil nur anwachsen.

 

Wünscht ihr euch eine Textiltonne? Warum gibt es die eigentlich nicht?

Damit die Textilkreislaufwirtschaft gut funktioniert sollte die Sammlung des Alttextils tatsächlich so früh wie möglich anfangen. Dabei wird sich hoffentlich in den nächsten Jahren auch auf der Ebene von smarten Textilmülltonnen etwas ergeben, denn je mehr Informationen über den Inhalt der Tonne erhalten werden können, umso besser könnte man das Textil weiterverwenden bzw. verarbeiten.
Insgesamt besteht im Moment sehr viel Bedarf an FuE-Projekten zu diesem Thema und insgesamt auch am Entwickeln und Anwenden verschiedener Ansätze, die am Ende eine sorgfältige und sinnvolle Sammlung von Textil erlauben. Da sollten dann auch alle Interessensgruppen mit teilnehmen – sowohl die Sammler wie auch die Einzelhändler, Marken etc.

 

Wie erschließt ihr euch eure Marktposition?

Wir sind momentan sehr auf die Phase „Market Creation“ fokussiert. Das bedeutet, dass wir uns verstärkt um den Kundendialog und entsprechende Kundenakquise kümmern. Unser Konzept richtet sich im Moment auf die Frage, wie wir mit unseren Materialien Neuware ersetzen und zu attraktiven Preisen verkaufen können. Das ist sehr wichtig, damit wir verschiedene Kunden von unserem Konzept und dessen Vorteilen überzeugen können.
Im nächsten Schritt, wenn wir bereit sein werden unser gesamtes SMART-UP System zu vertreiben, werden wir dann schon einen robusten Kundenstamm mit uns bringen und uns und unseren Partnern eine gesunde Wirtschaftlichkeit mitgeben.

 

Wer sollte bei euch am liebsten anklopfen?

Es wäre ganz nett, wenn wir mit Jeff Bezos die Situation mal ehrlich besprechen und dann eine Partnerschaft ausmachen können, um in diesem Rahmen ein grünes Konzept für Amazon im Textilbereich festzulegen.

 

Textilgemische der letzten Jahrzehnte haben zu ungelösten Müllbergen in der ganzen Welt geführt. Eure Innovation gibt textilem Müll ein neues Leben als Duft, Verpackung oder Fabrikat. Wird damit die Herstellung von vermischten Fabrikaten legitimiert? 

Unsere Lösung funktioniert auch bei Monomaterialien, die wir dann zu neuen Rohstoffen verarbeiten. In diesem Sinne wird die Technologie immer angebracht und relevant sein. Bis dahin helfen wir jedoch die Mehrheit des Textilabfalls von den Deponien umzuleiten und daraus wertvolle neue Materialien herzustellen. Es ist auch wichtig zu bedenken, dass es wohl noch einige Jahre dauern wird, bis Textilien aus völlig kompostierbaren, nachhaltigen Monomaterialien produziert werden. Wir bieten eine Lösung, die schon in der gegenwärtigen Situation aktuell ist.

Das Interview finden Sie auch auf unserer Webseite, neben vielen Weiteren.

Unsere Empfehlungen zum Thema
Textilwerkstatt: Wer unter Ihnen sich die Lebensverlängerung der privaten Textilien anstrebt, findet im Haus der Materialisierung Unterstützung. Die dortige Textilwerkstatt bietet regelmäßig Reparatur- und Upcycling- Workshops an.


Bild: ©Collab Media/ Unsplash

Förderprogramm: Investition in Nachhaltigkeit geplant, aber noch Fragen auf dem Weg? Das Förderprogramm STAGE unterstützt KMU mit bis zu 25.000 EUR Beratungsförderung, um eine Nachhaltigkeitsinvestition vorzubereiten.


Bild: ©Cheslea/ Unsplash
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Bild: ©Declan Sun/ Unsplash

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Dieser Newsletter wird von der Koordinierungsstelle für Kreislaufwirtschaft, Energieeffizienz und Klimaschutz im Betrieb (KEK) durch Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie herausgegeben.


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